Heilpädagogik, Sozialtherapie und Sozialpsychiatrie

Anthroposophische Heilpädagogik, Sozialtherapie und Sozialpsychiatrie hat zum Ziel, Menschen mit Unterstützungsbedarf eine individuelle leibliche, seelische und geistige Entwicklung zu ermöglichen, ihnen zu einem Leben in Würde und Selbstbestimmung zu verhelfen und ihren Beitrag für die Gesellschaft sichtbar werden zu lassen. Soziale Integration und Inklusion als Prozess der Überwindung von Behinderungen gehört zu den grundlegenden Aufgaben der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie.

Wie wir Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen gegenübertreten, hängt immer von den Grundüberzeugungen ab, an denen sich unsere Haltungen und Handlungsweisen orientieren. Dem Menschenverständnis der Anthroposophie, die Anfang des 20. Jahrhunderts von Rudolf Steiner entwickelt wurde und seither in vielen Lebensgebieten verbreitet ist, liegt die Frage zugrunde, wie die Entwicklung des einzelnen Menschen wirksam unterstützt und gefördert werden kann. Die heilpädagogischen und sozialtherapeutischen Methoden der anthroposophischen Menschenkunde beinhalten eine spezifische Diagnostik und therapeutische Prozesse mit unterschiedlichen Angeboten und Maßnahmen.

Die Wertschätzung und Achtung vor den Entwicklungsbedingungen jedes einzelnen Menschen und die Erkenntnis und Förderung seines individuellen Potentials bilden die Grundlage für die verschiedenen Angebote. Entwicklungsfähigkeit ist eine Eigenschaft jedes Menschen, unabhängig von den Erschwernissen, die zu seinem Leben gehören. Diese können vielmehr als Ausdruck für seine individuellen Lebensaufgaben gesehen werden, zu deren Bewältigung er die Unterstützung, Anregung und das Verständnis seiner mitmenschlichen Umgebung braucht. Insofern ist der Entwicklungsbegriff der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie nicht auf körperliche und seelische Prozesse begrenzt. Er schließt einen Evolutionsgedanken ein, nach dem sich die Persönlichkeit des Menschen nicht ausschließlich aus genetischen und sozialen Bedingungen herleitet. Der Mensch wird auch als geistiges Wesen verstanden, das bereits vorgeburtlich existiert. Behinderung kann dadurch jenseits von Defizitorientierung oder Schuldzuweisung verstanden werden. Sie bildet als lebensgeschichtliche Aufgabe den Ausgangspunkt für den einzigartigen biografischen Entwicklungsweg eines Menschen. An den Lebensorten von Menschen mit Behinderungen werden Sozialformen gelebt, die ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderungen ermöglichen. Hier zeigt sich das Leben als ein Geben und Nehmen von Menschen unterschiedlicher Fähigkeiten und Begrenzungen und es kann eine Gemeinschaft gestaltet werden, in der die sonst sozial trennenden und stigmatisierenden Merkmale von Behinderung überwunden werden können.